EEG2023
Das sogenannte "Osterpaket" der neuen Bundesregierung und des BMWK unter Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck hat bereits einige dringend erforderliche Verbesserungen unter anderem im EEG2023 (eines der fünf Gesetze im "Osterpaket" - EEG, WindSeeG, EnWG, BBPIG, NABEG) gebracht, ist allerdings in anderen Aspekten auch immer noch hinter den Erfordernissen zurückgeblieben. Die wichtigsten Punkte für PV-Dachanlagen werden hier kurz aufgeführt.
Historie 2022 - Kurzabriss
Der erste Referentenentwurf wurde am 28.02.2022 vorgelegt, erfuhr anschließend allerdings noch einige Veränderungen, die zu einem Teil auf Stellungnahmen verschiedener Verbände, andererseits auf koalitionsinterne Abstimmungen zurückgehen (Abschluss: Kabinettsbeschluss vom 06.04.2022).
Weitere Nachbesserungen kamen im sogenannten "parlamentarischen Verfahren" (Juni/Juli 2022) unter Einschluss des gesamten Bundestags dazu.
Verabschiedet wurde das "Osterpaket" schließlich nach der dritten Lesung im Bundestag am 07.07.2022, im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und damit vorbehaltlich der beihilferechtlichen EU-Genehmigung gültig war es ab 28.07.2022.
Die beihilferechtlichen Genehmigungen wurden am 27.09.2022 (Neuregelungen EEG2021) und 21.12.2022 (EEG2023 ab 01.01.2023) erteilt.
Bemerkenswerte Aussagen der EEG2021-Nachbesserung und des EEG2023
- Vorrang für erneuerbare Energien: Die Nutzung erneuerbarer Energien liegt im überragenden öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen Sicherheit (wichtig bei z.B. Abwägungsentscheidungen gegenüber Radaranlagen oder Nachbarschaftskonflikten)
- Anhebung des Ausbauziels für 2030 auf mindestens 80 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs von prognostiziert 750 TWh (aktuell 2022: rd. 47% EE-Anteil)
- Anpassung der Ausschreibungsmengen
- Windenergie an Land: Steigerung der Ausbaurate auf 10 GW pro Jahr (konstant ab 2025) auf insgesamt 115 GW bis 2030
- Solarenergie (Dach, Freifläche, besondere Solaranlagen): Steigerung der Ausbaurate auf 22 GWp pro Jahr (konstant ab 2026) auf insgesamt 215 GWp bis 2030, auf insgesamt 400 GWp bis 2040, danach Erhalt der Leistung
- Strom soll 2035 nahezu vollständig aus Erneuerbaren Energien stammen (weitestgehend unabhängig von fossilen Energieimporten).
- Anhebung der Ausschreibungspflicht für PV von 300 kWp auf 1000 kWp, deutliche Erhöhung des jährlichen Ausschreibungsvolumens: für erstes Segment Solar (Freiflächenanlagen) auf 9900 MWp ab 2025, für zweites Segment Solar (Dach-PV, Lärmschutzwände) auf 1100 MWp ab 2025
- Ausschreibung für Windenergie ab 1 MW: Ausschreibungsvolumen 10000 MW pro Jahr ab 2024, Anhebung der Faktoren für windschwache Standorte
- Eigenversorgung ist jetzt auch bei Zuschlag in Ausschreibung möglich.
- Erweiterung des Seitenrandstreifens für PV-Freiflächenanlagen entlang Autobahnen und Schienenwegen von 200 m auf 500 m
- Stärkung der Bürgerenergie:
Wind- (bis 18 MW) und Solarprojekte (bis 6 MW) von Bürgerenergiegesellschaften werden von den Ausschreibungen ausgenommen. - Fokussierung der Biomassenutzung auf hochflexible Spitzenlastkraftwerke
- Weiterentwicklung der finanziellen Beteiligung der Kommunen mit dem Ziel einer weiteren Stärkung der Akzeptanz vor Ort
- Weiterentwicklung der Förderungen für Innovationen und Speicher (insbesondere innovativer Konzepte erneuerbarer Energien mit lokaler wasserstoffbasierter Stromspeicherung)
- Absenkung der EEG-Umlage auf null ab Juli 2022 (Finanzierungüber Bundeshaushalt)
Fördersätze für PV-Dachanlagen
Aufteilung in Volleinspeisung und Überschusseinspeisung (Tarife werden bis zum 31.01.2024 nicht weiter abgesenkt wie bisher, Degression anschließend voraussichtlich 1% pro Halbjahr):
- Volleinspeisung wird vergütet mit 13,0 ct/kWh (bis 10 kWp), 10,9 ct/kWh (bis 100 kWp), 9,0 ct/kWh (bis 400 kWp) und 7,7 ct/kWp (bis 1000 kWp)
- Überschusseinspeisung wird vergütet mit 8,2 ct/kWh (bis 10 kWp), 7,1 ct/kWh (bis 40 kWp) und 5,8 ct/kWp (bis 1000 kWp)
- Anlagensplit erlaubt: gleichzeitiger Betrieb einer (kleineren) Überschusseinspeiseanlage und einer (größeren) Volleinspeiseanlage, Zuordnung muss jedes Jahr bis 01.12. beim Netzbetreiber angezeigt werden
Hintergrund: Große Dachanlagen auf Gebäuden mit niedrigem Strombedarf sind bei Betrieb in Überschusseinspeisung sonst höchst unwirtschaftlich.
Diese ungleiche Behandlung von Volleinspeisung und Überschusseinspeisung ist einer meiner Hauptkritikpunkte an der neuen Vergütungsregelung: Sobald auch nur die erste kWh im Gebäude genutzt wird, fällt die Vergütung für (fast) den gesamten erzeugten Strom einer 200-kWp-Anlage von 10,06 ct/kWh auf nur noch 6,12 ct/kWh - beide Anlagen sind aber praktisch gleich teuer.
Das kann noch nicht das Gelbe vom Ei für die "Entfesselung der Energiewende" sein, denn damit werden viele große Dächer nur so weit genutzt, wie es die Wirtschaftlichkeit zulässt. Das bedeutet in konkreten Fällen z.B., dass ein Dach, das für eine 500-kWp-Anlage geeignet wäre, nur eine 50-kWp-Anlage erhält, weil sich damit ein Optimum ergibt bzgl. durchschnittlichem Erlös (Effektivwert von EEG-Vergütung für die Einspeisemenge und Stromkosteneinsparung für die Eigennutzung).
Der nun erlaubte Anlagensplit stellt keine sinnvolle Lösung dar (höhere Kosten und Platzbedarf im Anschlussraum für zusätzliche Infrastruktur, Materialknappheit, zusätzliche Kosten für zusätzliche Wandler- und Zählertechnik, höherer Aufwand für Versicherungen und Abrechnungen, deutlich geringere nutzbare Solarstrommenge im Gebäude, etc.). Damit werden die zusätzlichen Volleinspeiseanlagen häufig nicht realisiert werden und die eigentlich gut nutzbaren Dächer zum überwiegenden Teil leer bleiben.
Der Autor dieser Seiten schlug den Verbänden und der Politik ein konkretes Vergütungsmodell für die Überschusseinspeisung vor, welches dieses Problem lösen kann, ohne beihilferechtlich bedenklich sein zu müssen (Veröffentlichung an dieser Stelle folgt noch).
Verbesserungen für private PV-Dachanlagen
Private Dachanlagen und solche auf öffentlichen und auf Wohngebäuden werden ab 01.01.2023 ganz besonders entbürokratisiert:
- keine Einkommensteuer bei Anlagen bis 30 kWp
- keine Einkommensteuererklärung mehr (EÜR)
- gilt auch für Altanlagen
- keine Mehrwertsteuer bei Neuanlagen bis 30 kWp
(für öffentliche Gebäude, Wohngebäude und Gebäude, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, auch >30 kWp) - Anschaffungen komplett netto
- gilt auch für zusätzliche Speicher
- keine Umsatzsteuer bei Anlagen bis 30 kWp
- keine Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuererklärungen mehr
- keine Umsatzsteuer auf den Eigenverbrauch mehr
- damit dürfen auch Lohnsteuerhilfevereine unterstützen
- gilt auch für Altanlagen
- ähnlich zur bisherigen Kleinunternehmerregelung, aber ohne den bisherigen Nachteil bei Anschaffungskosten (Verzicht auf Erstattung der Mehrwertsteuer)
- Wechsel zwischen Voll- und Überschusseinspeisung jährlich möglich
- muss dem Netzbetreiber bis jeweils zum vorangehenden 01.12. mitgeteilt werden
- Volleinspeisung lohnend vor allem für große Dächer und eher geringem Eigenverbrauch
- Überschusseinspeisung lohnend bei hohem Eigenverbrauch und/oder stark steigenden Strombezugskosten
- kann interessant sein, wenn über die Jahre z.B. größere Stromverbraucher hinzukommen (Wärmepumpe, E-Auto)
- Keine 70%-Kappung mehr
- bei Neuanlagen bis 25 kWp
- bei Altanlagen bis 7 kWp
Und das Solarpaket I vom 16.05.2024?
Einige Neuerungen wurden geregelt:
- GGV (Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung): Anders als beim bisherigen klassischen Mieterstrommodell soll es Mehrfamilienhäusern ermöglicht werden, ohne die teure physische Anschlusszusammenlegung (mit kostenträchtigem Wandlerschrank) die Bewohner alleine durch Verrechnung der Zählerdatenreihen mit Solarstrom zu versorgen. Voraussetzung ist dabei allerdings, dass alle Wohnungszähler plus der Erzeugungszähler 15-Minuten-Werte aufzeichnen, sprich: als Smart-Meter (iMSys) ausgeführt sind, und dass man einen zertifizierten Messstellenbetreiber findet, der diese Zeitreihen so aufbereitet, dass sowohl die Solarstromnutzung wie auch der Reststrombezug jeder Wohneinheit energierechtlich sicher zugeordnet werden können.
Derzeit scheitert das Modell meist noch an beidem:
a) Der iMSys-Rollout stockt, in manchen Netzen wartet man viele Monate oder gar Jahre,
um diesen Zähler zu erhalten. Zudem ist das System relativ teuer, was die Wirtschaft-
lichkeit der GGV in Frage stellt.
b) Es gibt derzeit noch kaum einen zertifizierten Messstellenbetreiber dafür ...
Mieterstromzuschlag-fähig sind jetzt auch gemischte Gebäude (mit Wohneinheiten, gewerblichen Einheiten und Nebenanlagen. - Balkonkraftwerke: Diese dürfen jetzt 2 kWp Modulleistung und 800 VA Wechselrichterleistung haben. Es genügt mittlerweile die vereinfachte Anmeldung der Anlage im Marktstammdatenregister; parallel ist keine Anmeldung beim Netzbetreiber mehr nötig.
- Höhere Volleinspeisevergütung: Die Vergütungssätze für die Volleinspeisung sollen in den Leistungsklassen zwischen 40 und 750 kWp um je 1,5 ct/kWh angehoben werden. Leider bedarf die Umsetzung dieser EEG-Vergütungssatzänderung einer beihilferechtlichen EU-Genehmigung, die bis heute (Ende 2025) noch nicht erteilt wurde. Es ist völlig unklar, wann diese Genehmigung kommen wird und ob sie dann auch rückwirkend gelten wird ab Datum der Verabschiedung des Solarpakets I.
- Neues Ausschreibesegment: Agri-PV, Parkplatz-PV, Floating-PV (auf Seen) und Moor-PV werden in einem eigenen Segment ausgeschrieben.
- Anlagenzusammenfassung: Volleinspeise- und Überschusseinspeise-Anlagen dürfen jetzt gleichzeitig errichtet und fertiggemeldet werden, wobei die Vergütung für jede der beiden Anlagen unabhängig von der jeweils anderen ermittelt wird (für alle anderen technischen Regelungen muss weiterhin die Gesamtleistung zugrunde gelegt werden; so müssen beide Anlagen separat am Netz hängen mit jeweils eigenen Zählern). Beide Anlagen gleichzeitig zu errichten war vor dem Solarpaket I natürlich auch möglich, aber früher wurde zur Ermittlung der Vergütungssätze die Gesamtleistung zugrunde gelegt, wodurch die Gesamtvergütung niedriger ausfiel.
Was ist der Sinn dahinter?
Wegen der niedrigeren Einspeisevergütung bei Überschussanlagen sollen so große Dachanlagen wirtschaftlich werden, aus denen nur wenig Solarstrom ins Gebäude geliefert werden kann (z.B. wegen geringem Strombedarf in Sporthallen oder reinen Bürogebäuden). Mit dem Anlagensplit kann man die Überschussanlage an den Strombedarf im Gebäude anpassen und das Restdach mit einer höher vergüteten Volleinspeiseanlage auffüllen. Natürlich wird eine kleinere Überschussanlage auch deutlich weniger Solarstrom bereitstellen können als eine sehr große.
Kritik an dem Konzept:
Solche Anlagenzusammenfassungen sind sowohl technisch als auch betriebsseitig recht aufwendig gegenüber einer Gesamtanlage, die nur einen Netzanschluss erforderte - mehrfache Zählertechnik mit je eigenen Kosten, separate Leitungen und Wechselrichter, doppelter Abrechnungsbedarf, etc.
Fazit: Komplex à la Deutschland ...
Man hätte einen Anlagensplit auch rein virtuell realisieren können (über eine "automatische Anpassung" der Größe der Überschusseinspeiseanlage an den Strombedarf im Gebäude - einfach durch geschickte Verrechnung), aber dazu konnte sich die Bundesregierung nicht durchringen, denn das hätte zusätzliche Diskussionen mit der EU-Beihilfestelle ausgelöst). Wer an Details zu dieser Idee des Autors dieser Seiten Interesse hat, darf mich gerne kontaktieren. - ... und einige weitere Neuregelungen (zur Direktvermarktung, Anlagen im Außenbereich, etc.
Und seit 25.02.2025 gilt nun zusätzlich das "Solarspitzengesetz":
Die wesentlichste Neuerung: Anlagen bis 100 kWp (außerhalb der Direktvermarktung) werden in der Leistung auf 60% der Modulleistung (Nennleistung) gekappt. Damit verliert man ein paar Prozent des Jahresgesamtertrags; die Überproduktion in den Mittagsstunden eines sonnigen Tags wird damit aber reduziert. Dieses 60%-Kappung gilt nur, so lange kein Smart-Meter (iMSys) eingebaut ist, dessen Roll-Out als Szenario geregelt wurde. Sobald ein iMSys vorhanden ist (womit dann die 15-Minuten-scharfe Erzeugung protokolliert wird), wird statt der 60%-Kappung der ins Netz eingespeiste Solarstrom während Zeiten negativer Börsenstrompreise nicht mehr vergütet (Solarstrom darf allerdings weiterhin auch während dieser Zeiten vor Ort selbst verbraucht oder zwischengespeichert werden). Diese vergütungsfreien Zeiten werden dann aufaddiert mit gewissen im EEG festgehaltenen jahreszeitlichen Faktoren und dürfen ans Ende der 20-jährigen Festvergütungsdauer angehängt (kompensiert) werden. Dies führt effektiv zu einer deutlichen Verlängerung der EEG-Vergütungszeiten um einige Jahre.
Wenn man von rund 700 Stunden negativer Börsenstrompreise im Jahr 2025 ausgeht, dann muss man damit rechnen, dass bis zu 1/3 der erzeugten Solarstrommenge zunächst nicht vergütet wird; die Jahre nach der regulären EEG-Vergütungsdauer entschädigen zwar zu einem gewissen Grad, aber diese "Kompensationszahlungen" muss man in Wirtschaftlichkeitskalkulationen abgezinst mit ihrem heutigen Barwert berücksichtigen. Volleinspeiseanlagen ohne Speicher werden damit kaum noch wirtschaftlich realisierbar sein - zumindest so lange unser Energiesystem signifikante Perioden mit negativen Strompreisen zulässt. Großspeicher werden das mittelfristig hoffentlich verhindern; niemand kann aber heute vorhersagen, wann wir wieder auf ein erträgliches Maß negativ bepreister Stunden im Jahr zurückkommen.
(Disclaimer: Alle Angaben ohne Gewähr)